Festlegen der Systemgrenzen

Das Festlegen der Systemgrenzen bestimmt, welche Prozesse und Aktivitäten in die Ökobilanz einbezogen werden und welche nicht.

Damit wird festgelegt, wie umfassend die Analyse ist – von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung oder nur bis zum Verkauf des Produkts. Dieser Schritt sorgt für Transparenz, Vergleichbarkeit und eine sinnvolle Abgrenzung des Untersuchungsbereichs.

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Man unterscheidet typischerweise zwischen 4 unterschiedlichen Ansätzen:

  • Cradle-to-Gate: Betrachtung bis zur Herstellung des Produkts (z. B. von der Rohstoffgewinnung bis zur Fabrik).
  • Cradle-to-Grave: Betrachtung des gesamten Lebenszyklus bis zur Entsorgung.
  • Gate-to-Gate: Begrenzung auf die Produktionsphase eines Unternehmens.
  • Cradle-to-Cradle: Betrachtung des gesamten Lebenszyklus mit dem Ziel, Materialien und Ressourcen nach der Nutzung im geschlossenen Kreislauf wiederzuverwenden.

Cradle-to-Gate und Cradle-to-Grave werden üblicherweise zur Berechnung des PCF und der Umweltauswirkungen eines Produkts verwendet. Wenn das Ziel der LCA-Studie darin besteht, sich auf die Herstellungsprozesse zu konzentrieren oder zwei Produkte zu vergleichen, kann die Cradle-to-Gate-Methode verwendet werden. Die Cradle-to-Grave-Methode wird für eine umfassende Bewertung der Umweltauswirkungen über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts empfohlen.

Cradle-to-Grave ist vor allem dann vorteilhaft, wenn eine umfassende Bewertung über den gesamten Lebenszyklus erfolgen soll, beispielsweise um Potenziale in Rücknahmesystemen zu erkennen oder die Ergebnisse in der Kommunikation mit Kund:innen unter Einbeziehung der Nutzungsphase darzustellen.

Die Ansätze Cradle-to-Cradle und Gate-to-Gate werden weniger in einer Ökobilanz gewählt. Das liegt besonders daran, dass Ersteres mit der Kreislaufwirtschaft eine sehr idealistische Systemgrenze beschreibt, welche kaum Unternehmen integriert haben. Gate-to-Gate ist dagegen sehr schmal definiert, da nur die Produktion selbst betrachtet wird und wichtige vor- und nachgelagerte Prozesse nicht in die Analyse miteinfließen.

Beim Festlegen der Systemgrenzen müssen mehrere Aspekte entschieden werden:

  • Welche Lebenszyklusphasen werden betrachtet?
    • Von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung oder nur Teilbereiche?
  • Welche Inputs und Outputs werden ausgeschlossen? erfasst?
    • Gibt es Prozesse/Materialien die aufgrund geringer Auswirkung nicht relevant sind?
  • Welche räumlichen und zeitlichen Grenzen gelten?_
    • Ist es eine globale, europäische oder nationale Betrachtung?
  • Welche Prozesse werden ausgeschlossen?
    • Beispiel: Betrachtet man nur die Hauptrohstoffe oder auch Verpackungsmaterial?

Ziel ist es hier ein gutes Mittelmaß zu finden:

  • Eine zu enge Abgrenzung kann wichtige Umweltauswirkungen übersehen.
  • Eine zu breite Abgrenzung führt zu hohem Aufwand und komplizierter Datenbeschaffung.
  • Es hilft, vorab grob zu skizzieren, was realistisch analysierbar ist

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Case Study

Für den elektrischen Wasserkocher wird eine Cradle-to-Grave-Methode gewählt.

Begründung:

  • Die Nutzungsphase ist bei elektrischen Geräten nicht unerheblich in den Auswirkungen und bildet auch die Energieeffizienz des Produktes ab.
  • Auch die Entsorgung besonders der elektronischen Komponenten birgt viele Chancen zum Recycling.

Daher wird eine Cradle-to-Grave-Methode gewählt, um diese beiden Phasen auch ausreichend zu evaluieren und die Umweltauswirkungen über den gesamten Lebenszyklus zu betrachten.

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Praxistipp :

Thematisierung im Workshop zu Lebenszyklusbetrachtung:

  • Ausgangspunkt ist das Prozessmodell - Welche Phasen und Prozesse sind relevant?
  • Brainstorming zu möglichen Systemgrenzen - Was ist sinnvoll und realistisch?
  • Festlegung der finalen Grenzen - Dokumentation der getroffenen Entscheidungen.

-> Typischerweise wird Cradle-to-Gate als Systemgrenze festgelegt

->Daher wird eine Cradle-to-Grave-Methode gewählt, um diese beiden Phasen auch ausreichend zu evaluieren und die Umweltauswirkungen über den gesamten Lebenszyklus zu betrachten.

Checkliste :

  • Sind die berücksichtigten Phasen des Lebenszyklus klar abgegrenzt? (cradle-to-gate; cradle-to-grave oder cradle-to-cradle)
  • Sind räumliche und zeitliche Grenzen und Annahmen definiert?
  • Sind die getroffenen Annahmen dokumentiert?

Wenn es sich um ein multifunktionales System handelt, also einen Prozess, der mehrere Produkte oder Funktionen gleichzeitig liefert, z. B. die Herstellung von Milch und Käse aus derselben Rohmilch, sollte überlegt werden, wie die Ergebnisse auf die Produkte verteilt werden (Allokation). Weitere Hinweise dazu gibt es im Appendix B.